„Es gibt jetzt übrigens auch Tinder nur für Dreier“, meinte gestern einer meiner Kollegen (kinderlos, unter 30) beiläufig beim Mittagessen. Der gleiche Kollege hatte neulich auf die Frage nach seinem Privatleben mit einem breiten Grinsen folgendes geantwortet: „Also ich benutze Kondome – und zwar regelmäßig“. Dabei stand so manchem jungen Familienvater der Neid buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
Die „jungen“ Väter unserer Zeit kennen Tinder nur vom Hörensagen und die Epoche der freien Liebe haben sie auch verpasst.
Ich denke keiner wird bestreiten, dass das Vaterwerden nicht gerade mit einer gesteigerten Sexualität in der Beziehung einhergeht. Was bei Müttern durch Hormone kompensiert wird, muss der Vater anders verarbeiten. Das ist natürlich nicht neu und war auch schon bei früheren Generationen der Fall. In diesem Artikel geht es um etwas anderes…
Fangen wir mal von vorne bei der Flower Power Generation an, der auch viele unserer Eltern angehören dürften. Als Hippies praktizierten sie unter dem Slogan „Make Love not War“ die freie Liebe. Unterstützt vom Aufkommen der Anti-Babypille und dem neuen freien Denken, konnten Junge Menschen ihren sexuellen Bedürfnissen freien Lauf lassen. Sex wurde zum reinen Vergnügen praktiziert, ohne sich dabei über Familienplanung Gedanken machen zu müssen.
Zur Jahrtausendwende war ich selbst Anfang 20 und habe oft mit dem Gefühl etwas verpasst zu haben auf diese Epoche zurückgeschaut. Das Herz der modernen Frau der 2000er wollte erobert werden, bevor sie ihren sexuellen Gelüsten freien Lauf lassen konnte. Der moderne Mann musste mit der richtigen Dosis an Charme, Emanzipation und Erfolg aufwarten um beim anderen Geschlecht erfolgreich zu sein – alles möglich, aber auf den ersten Blick doch um einiges komplizierter als freie Liebe.
Die Hippiebewegung reichte bis Ende der 70er Jahre und spätestens Anfang der 80er war im Kontext von HIV Schluss mit freier Liebe. Kondome boten zwar Schutz vor Krankheiten, machen aber Akt der freien Liebe als solchen zu Nichte. Mir fällt hier ein Zitat aus dem Ärzte Song Schrei nach Liebe ein: „Wenn ich Dir entgegen fiebere, sagst Du resolut zu mir, bitte zieh ein Gummi über, dabei war es gerade so schön.“
Und dann kamen irgendwann Internet und Online Dating auf. Klar, anfangs war Online Dating was für Freaks. „Sich im Internet kennenlernen“ wurde belächelt und als letzter Ausweg für sozial inkompatible Psychopaten abgetan. Und dann, ca. 10 Jahre nach der ersten Online Dating Plattform kommt Tinder. Boom! Wir haben heute alle einen Supercomputer in der Hostentasche und den nutzen wir längst nicht mehr nur fürs Telefonieren und Nachrichtenschreiben. Die Tinder Beschreibung im App Store sagt eigentlich alles:
„Tinder ist die unterhaltsame Art, mit neuen und interessanten Leuten in deiner Nähe Kontakte zu knüpfen. Einfach durch Wischgesten nach rechts oder links Personen „mögen“ oder „ablehnen“. Wenn du jemand anderem auch gefällst, hast du einen Match! Chatte mit deinem Match oder nimm ein Foto auf und teile es als Moment mit allen deinen Matches gleichzeitig. Es ist eine neue Art und Weise, dich selbst auszudrücken und Freunden mitzuteilen.“
Ist das nur für Psychopaten? Wohl kaum. Über 10 Millionen Mal wurde die App bereits in Deutschland installiert.
Die Jugend von heute tindert und pimpert fleißig durch die Welt. Selbst ein Hippie der alten Schule wäre erstaunt, wie schnell sich hier neue Sexualpartner finden. Egal ob mit oder ohne Kondom, die Masse macht’s.
Zwischen freier Liebe und Tinder liegen etwa 30 Jahre. Was haben die Männer, die in dieser Zeitspanne Väter wurden, wirklich verpasst? Hängt bei Ihnen der Haussegen schief, weil sie sich um ein wildes Sexualleben betrogen fühlen?
Ich denke ehrlich gesagt nicht. Der Inhalt dieses Artikels eignet sich sicher gut für lustige Gespräche in der Männerrunde – so ist das Thema übrigens auch entstanden. Aber sind wir mal ehrlich, unter Sexentzug mussten auch wir nicht leiden. Tinder und freie Liebe sind nicht die einzigen Wege einen Sexualpartner zu finden. Und darin waren wir alle erfolgreich, sonst wären wir ja keine Väter.
Und Ihr, habt Ihr schon von Tinder gehört? Ward Ihr bei der freien Liebe dabei? Haben Eure Kinder Tinder installiert?
Schreibt gerne einen Kommentar, wenn ihr zu diesen Themen was zu sagen habt.
Und wenn Euch der Artikel gefallen hat, dann leitet ihn gerne weiter.
Hallo!
Superartikel, der einen echt neidisch macht! Als Papa kann ich mich nur allzu gut in das Thema hineinversetzen… Zu unseren Zeiten gab es so etwas noch nicht, wir waren noch offline auf der Suche. Und ja, als Papa ist das alles anders, der Text gibt die „Papasituation“ in der heutigen Zeit sehr gut wieder. Würde mich über einige Diskussionen hier freuen.
SAM
Hi Sam,
was hättest Du denn lieber erlebt: Tinder oder freie Liebe?
Cheers
Superpapa2
Du scheinst das was zu verwechseln, schrei nach Liebe hat nichts mit Liebe oder Sex zu tun:
‚Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe, deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit und deine Freundin, die hat niemals für dich Zeit.
Oho A.!‘
Schon klar, aber die zitierte Zeile passt trotzdem sehr gut
Ich hab kein Tinder, ich hab Kinder. Meine Frau hab ich online kennengelernt, das war wie im Pyjama in eine Disco oder aufn Marktplatz gehen. Ich denke, Online-Dating oder Dating-Apps beschleunigen das, was man eh machen würde: Flirten. Was mal ne gute Idee wäre: Tinder für Verheiratete. Damit innerhalb der Ehe wieder mehr gedatet wird. Freie Liebe in der Familie!
Der Satz ist schon mal klasse, muss ich twittern: „Ich hab kein Tinder, ich hab Kinder.“
Und mehr Dating in der Ehe/Beziehung finde ich auch super! Es muss ja nicht gleich ein Dreier sein 😉